‚Grüne’ Pflanzenschutzmittel: auch nicht viel besser?
Nach Angaben des niederländischen Zentrums für Landwirtschaft und Umwelt (CLM) werden „grüne“ Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel wie Nützlinge und Pflanzenextrakte im Allgemeinen schneller abgebaut und verursachen weniger Umweltschäden als chemische Pestizide. Biologische Wirkstoffe sind in der Regel aus verschiedenen Wirkstoffen zusammengesetzt, weswegen Insekten weniger schnell eine Resistenz gegen eine bestimmte Substanz entwickeln, das Bekämpfungsmittel also weniger schnell überholt ist. Immer mehr (konventionelle) Landwirte sind offen für Alternativen zu Glyphosat & Co. und wollen biologische Substanzen aus dem Öko-Anbau verwenden. Für diese als Biocontrol bezeichneten Verfahren gibt es inzwischen einen großen kommerziellen Markt. Der biologische Pflanzenschutz ist vorrangig präventiv und auf die Stärkung der Pflanzen und der Nutzorganismen z.B. im Boden ausgerichtet, erst sekundär sind direkte Maßnahmen gegen Schaderreger vorzunehmen. In Gewächshäusern und Obstplantagen beispielsweise ist die Praxis der integrierten Schädlingsbekämpfung bereits weit verbreitet: Dabei versucht man, Pflanzenschädlingen durch die Wahl der richtigen Bedingungen von vornherein das Leben schwer zu machen, so dass Pestizide gar nicht erst nötig werden.
Ungefährliche biologische Pestizide blockieren
Durch die europäische Gesetzgebung ist es leider schwieriger geworden, Substanzen zu verwenden, von denen jeder vermutet, dass sie unbedenklich sind - wie Milch, Bier oder Grüne Seife. Paprika-Produzenten verwenden seit jeher Milch bei der Ernte: indem sie Ihre Hände und Werkzeuge in Milch tauchen, verhindern sie, dass Viren durch den Pflanzensaft von einer Pflanze auf die nächste übertragen werden. In den Niederlanden, aus denen viele unserer Gewächshauspaprika stammen, gab es bis vor ein paar Jahren eine Vereinbarung, die diese Art der risikoarmen biologischen Schädlingsbekämpfung erlaubte. Diese Vereinbarung stand jedoch nicht mehr mit der im Jahr 2011 erlassenen Europäischen Pflanzenschutzverordnung im Einklang, durch die es seither viel schwieriger geworden ist, Substanzen mit geringem Risiko zu erlauben oder bestehende Zulassungen zu verlängern. „Es ist unbegreiflich, warum man Knoblauch- und Hefeextrakt zwar essen, sie aber nicht zum Pflanzenschutz auf dem Acker verwenden darf“, sagt Annie Schreijer-Pierik, seit Juli 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments für den niederländischen Christen Democratisch Appèl (CDA).
Gesetzgebung benachteiligt extensive und nachhaltige Lösungen
Unverkennbar waren hier die Finger der agrochemischen Industrie mit im Spiel. Dank Lobbyarbeit wird die Gesetzgebung beeinflusst und dazu instrumentalisiert, kleine Mitbewerber aus dem Markt zu drängen. Nachhaltige, klein- und mittelständische Innovatoren werden konstant blockiert - sie können sich weder „Interessenvertreter“ in Brüssel leisten, noch die oft langwierigen Antrags- und Genehmigungsverfahren in der EU finanziell überbrücken. Nicht umsonst sind 150 Anwaltskanzleien in der Brüsseler Lobby aktiv; große Unternehmen nutzen das Gesetz, um den Status Quo zu bewahren. Per Gesetzgebung schaffen sie ein Umfeld, in dem kleine Spieler keine Chance mehr haben. Die Folgen davon sind seit Jahren für kleine Bio-Saatgutzüchter spürbar, und jetzt auch für all die Landwirte, die natürliche Pestizide nutzen wollen. Die Entwicklung, Erforschung und Nutzung biologischer und im Ökolandbau seit langem bewährter Substanzen und Verfahren wird somit erschwert oder sogar verhindert. Denn: mit natürlichen Mitteln lässt sich nichts verdienen, sie werden nicht durch Patente geschützt. Chemische Verbindungen wie Glyphosat hingegen schon. Wer ein neues Mittel zulassen will, muss teure Zulassungsverfahren bezahlen, ohne dafür im Anschluss - im Falle der nicht-geschützten Bio-Wirkstoffe - Einnahmen aus Nutzungsrechten zu erhalten. In der Praxis können daher fast ausschließlich nur noch große Unternehmen wie BASF, Bayer, Monsanto und Syngenta neue Produkte entwickeln und auf den Markt bringen; eine sehr bedenkliche Situation unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit.
Bio-Pflanzenschutzmittel können auch schädlich sein
„Grüne“ Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel sind in den allermeisten Fällen sicher für Mensch und Umwelt, aber eben nicht immer. Obwohl der Bio-Landbau mit insgesamt viel weniger Pestiziden, Herbiziden und Insektiziden auskommt, gibt es doch auch einige Substanzen, die Risiken für das Ökosystem bereithalten können. Dennoch sollte man sich immer darüber im Klaren sein, dass das Arsenal, aus dem Bio-Landwirte per Gesetz wählen dürfen, viel begrenzter ist als im konventionellen Anbau. Dennoch ist der Bio-Anbau nicht „clean“. Zum Beispiel Pyrethrum, ein Extrakt aus Chrysanthemen: Reiche Kaufleute und Kreuzritter streuten sich im Mittelalter die getrockneten Blüten des Kreuzblütlers als Pulver ins Haar, um sich Flöhe und Läuse vom Leib zu halten. „Pyrethrum ist für Insekten giftig“, sagt Hans Hummel, Professor für Organischen Landbau an der Universität Gießen. „Aber für Menschen ist es ungefährlich.“ Der ökologische Landbau bescherte dem einstigen Hausmittel eine Renaissance. In Kenia ist Pyrethrum neben Kaffee und Tee ein Hauptexportprodukt. Auch die Nachbarstaaten Tansania und Ruanda bauen die weißblühende Pflanze in Höhenlagen an. Das kroatische Dalmatien ist ebenfalls in den Handel eingestiegen. 20 000 Tonnen Blüten pflücken Erntehelfer jedes Jahr. Rund 500 Tonnen Extrakt für den Ökolandbau entstehen daraus. Allein in Kenia verdienen sich 200 000 Familien in der Chrysanthemenproduktion ein paar Dollar, um Essen und Schulgeld bezahlen zu können. Ein durch und durch nachhaltiges Geschäft, so hat es den Anschein. Doch das Öl aus den schönen Blüten hat keinen astreinen ökologischen Fingerabdruck. Die Chrysanthemen werden nicht etwa biologisch angebaut. Herbizide halten die Felder von Unkraut frei. Sogenannte Organophosphate schützen die Blumen vor Motten und anderen Schädlingen, die sich, obwohl die Pflanze ein Insektengift produziert, an den mehrjährigen Blumen zu schaffen machen. Ein europäischer Importeur formuliert es so: „Bei der Anzucht und der Ernte werden keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt.“ Aber dazwischen eben schon. Es sei widersinnig, räumt Hummel ein, dass ausgerechnet die Produktion eines Biopestizids chemische Spritzmittel erfordert. (Quelle: wissenschaft.de)
Vielversprechend: Effektive Mikroorganismen statt Chemie
In der biologischen Landwirtschaft weiß man es schon lange: Pflanzen und Bakterien bilden eine Gemeinschaft, von der beide profitieren. Hauptakteur ist dabei der Boden: ein ausgeklügeltes Ökosystem und ein Mikrokosmos an Bakterien, Viren und Schimmelpilzen - die, so winzig sie auch sein mögen, eine wichtige Rolle spielen für die Gesundheit unseres Planeten und unserer Nahrungsmittel. Eine ausbalancierte Artenvielfalt im Boden bringt allerlei symbiotische Prozesse hervor, die eine für Pflanzen optimale Lebensgrundlage schaffen. Sowohl in der Landwirtschaft auch in der Medizin wächst seit Jahren das Interesse an den Mikroben unter unseren Füßen - und die Einsicht, dass sie eine entscheidende Rolle dabei spielen könnten, unsere Nutzpflanzen widerstandsfähiger und weniger anfällig für Krankheiten und Schädlinge zu machen. Oder anders gesagt: wächst eine Pflanze auf einem ausgelaugten Boden, hat sie Fressfeinden etc. wenig entgegenzusetzen.
Bei Effektiven Mikroorganismen - auch bekannt unter der Abkürzung EM - handelt es sich um eine spezielle, flüssige Mischung aus mikroskopisch kleinen Lebewesen. Effektive Mikroorganismen werden beispielsweise durch Blattspritzungen oder durch regelmäßiges Gießen dem Boden zugeführt und sorgen dort für eine Bodenverbesserung und infolgedessen auch für gesündere, leistungsfähigere Pflanzen. EM kommen ebenso häufig beim Kompostieren zum Einsatz, wo sie den Zersetzungsprozess fördern. Auch Agrochemie-Konzerne wie Bayer sehen hier inzwischen einen lukrativen Markt und setzen „optimierte“ Bakterienstämme z.B. in der Saatgutbehandlung ein.